Krise des Multilateralismus: Herausforderungen für die deutsche Außenpolitik am 12.10.2021

Bayerischer Hof
(Google Maps)
19:00

Nachlese

zu einem Vortrag von

Dr. Christoph Heusgen
Honorarprofessor an der Universität St. Gallen, ehem. Außenpolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel
ehem. Deutscher Botschafter bei den Vereinten Nationen  

"Krise des Multilateralismus:
Herausforderungen für die deutsche Außenpolitik"

Vortrag im Bayrischen Hof am Dienstag, 12.10.2021


Dr. Christoph Heusgen bedankt sich zunächst beim Peutinger-Collegium für die Einladung und gesteht, dass er zuvor nicht wusste, wer Konrad Peutinger war. Nach einer Recherche seien ihm aber einige Parallelen zwischen ihm und diesem aufgefallen. So seien beide in beratenden Funktionen tätig gewesen. Dr. Heusgen arbeitete zwölf Jahre lang als außen- und sicherheitspolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel und auch Peutinger habe damals Maximilian I. beraten. Ein wesentlicher Unterschied sei allerdings die Prunksucht, an der Maximilian I. gelitten haben soll, eine solche sei Angela Merkel hochgradig fremd, so sei sie auch nach 16 Jahren als Regierungschefin der Bundesrepublik Deutschland bodenständig geblieben.

Nach der kurzen Einleitung beginnt Dr. Heusgen mit seinem Vortrag, der sich der Krise des Multilateralismus und den diesbezüglichen Erwartungen an Deutschland richtet. Das Thema sei vor allem im Hinblick darauf wichtig, dass im vergangenen Bundestagswahlkampf weder außenpolitischen- noch EU-spezifischen Themen eine angemessene Bedeutung zugekommen seien. Dr. Heusgen selbst hat vier Jahre in den USA gelebt und dort als Botschafter bei den Vereinten Nationen gearbeitet. In dieser Zeit habe er erlebt, wie China immer selbstbewusster aufgetreten sei und auch Russland sich stets selbstbewusst und zunehmend aggressiv präsentiert habe. Die USA seien zwar Vertreter des UN-Sicherheitsrats, dennoch keine Verfechter, wenn es darum gehe, den Multilateralismus und eine geregelte Ordnung weltweit zu stabilisieren und zu stärken. Daher sei vor allem Deutschland in der Pflicht, den Multilateralismus aufrecht zu erhalten, auch im Hinblick auf die deutsche Vergangenheit. Vergleiche man die Jahre zwischen 1870 und 1945, die durch zwei Weltkriege, die Zerstörung Europas und Millionen Opfer geprägt wurden, mit den vergangenen 75 Jahren nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, stelle man einen sehr großen Unterschied fest. Dr. Heusgen appelliert daran, wertzuschätzen, dass wir in der Mitte Europas leben - und in einer der längsten friedlichen Episoden seit langem.

Die Europäische Union basiere nicht auf der Grundlage des Rechts des Stärkeren, sondern auf der Grundlage der Stärke des Rechts. Sie habe maßgeblich, durch freie Grenzen und keine Handlungsschranken, ebenso wie einer einheitlichen Währung, zum Wohlstand in Deutschland beigetragen. In der EU sei es mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, dass Konflikte nicht mit Gewalt gelöst würden, sondern am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, was eine enorme Stärke darstelle. Natürlich gebe es aber auch hier weiterhin Verbesserungsbedarf, aber man befinde sich auf einem guten Weg.

Im Vergleich zur Europäischen Union sei es den Vereinten Nationen nicht annähernd so gut gelungen, Konflikte friedlich zu lösen. Es gebe zwar durch die UN-Charta ein gemeinsames Bekenntnis zum Schutz der Menschenrechte, das alternativlos sei und als weltweit gültiges Regelwerk für ein friedliches Zusammenleben, anerkannt werden müsse, dennoch sei man global noch weit davon entfernt in eine friedliche Richtung zu gehen.

In den zwei Jahren, in denen Deutschland im UN-Sicherheitsrat war, habe man erlebt, dass es durch Russland, China und die USA schwere Angriffe auf die Weltordnung gegeben habe. Eine der größten außenpolitischen Herausforderungen in der Ära Merkel sei die Annexion der Krim und der damit verbundene Konflikt zwischen der Ukraine und Russland gewesen. Hier sei es immer noch nicht gelungen, diese Aggressionen rückgängig zu machen und es gebe immer noch Verletzungen des internationalen Rechts.

Aber Russland sei in vielen weiteren Bereichen aggressiv, erklärt Dr. Heusgen anhand verschiedener Beispiele. Als eines davon nennt er die russische Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, bei dem Russland maßgeblich daran beteiligt sei, mit Chemiewaffen gegen die syrische Bevölkerung vorzugehen. Dr. Heusgen übt im Weiteren nicht nur Kritik an der Außenpolitik Russlands, sondern auch an der innenpolitischen Situation. Es gebe keine Freiheit der Medien, des Internets und keine existente Opposition. Für ihn sei die Verleihung des Friedensnobelpreises an den russischen Journalisten Dmitri Andrejewitsch Muratow deshalb ein wichtiges Zeichen dafür, Menschen weiterhin zu ermutigen, Kritik am russischen System zu üben.

Auch China schiebe sich immer weiter aggressiv in den Vordergrund und gewinne zunehmend an Selbstbewusstsein. So verstoße das Land im südchinesischen Meer beispielsweise bewusst gegen internationales Seerecht und auch hier gebe es keine Opposition. Außerdem verurteilt Dr. Heusgen die Verfolgung und die Verletzung der Menschenrechte von stark leidenden Minderheiten, wie etwa Muslimen, die in Umerziehungs- und Arbeitslager gebracht werden.

Auch auf Seiten der USA sei es unter der Regierung von Präsident Trump zu Verstößen gegen das internationale Recht und den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen, dem Ausstieg aus der UNESCO und der WHO gekommen. Deutschland genieße, nicht zuletzt durch Angela Merkel, einen guten Ruf in den Vereinten Nationen. Angela Merkel habe stets Zuverlässigkeit, Stabilität und Vertrauen vermittelt, weshalb auch die Erwartungen an die neue Bundesregierung sehr hoch seien. Bei den aktuellen Entwicklungen in China und Russland sei es hierzu wichtiger denn je, starke Partner an seiner Seite zu haben, womit Dr. Heusgen den Bogen zur Europäischen Union zurückspannt.

Zwar sei die EU nicht im allerbesten Zustand, dennoch sei die Zusammenarbeit alternativlos und es nütze nichts, wenn diese auseinanderfiele. Im Gegenteil: Die EU müsse vor allem in der Verteidigungspolitik handlungsfähiger werden. Dr. Heusgen appelliert daran, dass man sich nicht ausschließlich auf die Hilfe der USA verlassen könne, was man zuletzt in Afghanistan beobachten konnte. Ohne das US-Militär war die EU hier nicht in der Lage den Flughafen von Kabul zu sichern und europäische Bürgerinnen und Bürger sicher auszufliegen. Aus diesem Grund fordert Dr. Heusgen eine gemeinsame europäische Streitkraft, um leistungs- und handlungsfähiger sein zu können. Den USA spricht er die Rolle, die sie nach dem zweiten Weltkrieg hatten, ab. Es gebe große Probleme im Land, sei es die Infrastruktur oder das Bildungs- oder Gesundheitssystem. Aus Dr. Heusgens Sicht werde die USA zwar weiterhin ein wichtiger Partner bleiben, dennoch nicht mehr mit der Strahlkraft von früher.

Zum Abschluss gibt Dr. Heusgen noch Ausblick darauf, wie mit gemeinsamen Beziehungen wie Russland und China umgegangen werden sollte. Aus seiner Sicht ist es nicht sinnvoll, die Wirtschaftskreisläufe zu trennen, da hier zu viele Abhängigkeiten bestünden. Dennoch müsse man dort, wo internationales Recht verletzt werde, mit starken Partnern, wie der EU oder den G7-Staaten, dagegen halten. Er appelliert an die Wichtigkeit der weltweiten Zusammenarbeit, dem Multilateralismus, mit dem obersten Ziel, den Schutz der Menschenrechte vollumfänglich zu gewährleisten.    

Herzliche Grüße

Ihr

 

 

Dr. Andreas Bachmeier
Präsident des Peutinger-Collegium e.V.

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