Staatsministerin Judith Gerlach I Prof. Dr. Claudia Linnhoff-Popien am 08.10.2019

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von Admin Admin


WESTIN GRAND, Arabellastraße 6, 81925 München
19:00

Zu einer besonderen Veranstaltung hieß Christian Geissler, Präsident des Peutinger-Collegiums, rund 100 Mitglieder – darunter ein neues Mitglied – und 30 Gäste im Westin Grand München willkommen. An diesem Abend gab es nicht wie üblich einen Vortrag, sondern gleich zwei: Mit Staatsministerin Judith Gerlach, MdL, und Prof. Dr. Claudia Linnhoff-Popien konnten zwei hochkarätige Referentinnen gewonnen werden.

Präsidiumsmitglied Christine Gärtner stellte die Staatsministerin kurz vor, bevor sie das Wort an diese übergab. Judith Gerlach schilderte zunächst, wie Ministerpräsident Dr. Markus Söder das Ministerium im Zuge der Regierungsbildung im November 2018 gegründet hat, um den digitalen Wandel mitzugestalten. Das bayerische Staatsministerium für Digitales ist das erste seiner Art in Deutschland. „Wir sind so etwas wie der Thinktank im Kabinett“, erläuterte die Ministerin. „Wir entwickeln Strategien, wie man die Digitalisierung in Bayern vorantreiben kann, und übernehmen die Koordinierung.“

Die Einführung der digitalen Verwaltung ist ein solches Projekt: Bürger sollen ihre Behördengänge in Zukunft bequem online abwickeln können. Um dies zu erreichen, holte Judith Gerlach verschiedene Ministerien an einen Tisch. „Das Digitalministerium arbeitet oft bereichsübergreifend. Bei uns laufen die Fäden zusammen, in allen Fragen, die die Digitalisierung betreffen“, erklärte Judith Gerlach. „Wir sind aber auch eine Art Treiber, indem wir Projekte vorschlagen und Möglichkeiten aufzeigen.“ Als Beispiel nennt sie eine IT-Notfall-Hotline für Bürger, die sie in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium und Staatsminister Joachim Hermann initiiert hat. Diese Hotline können Bürger anrufen, die Opfer von Cyberkriminalität geworden sind. Das Beispiel zeigt: "Die anderen Ministerien müssen mitziehen. Es liegt im ureigenen Interesse jedes Ressorts, bei der Digitalisierung in ihren Bereichen voranzukommen", so die Staatsministerin.

Die Digitalisierung spielt in zahlreichen Lebensbereichen eine große Rolle, beispielsweise in der Medizin, Bildung oder Landwirtschaft. Deswegen sei es so wichtig, dass Bayern hier weiter Vollgas gibt. „Die Infrastruktur muss besser werden, sonst verspielen wir Bayerns Erfolgschancen“, stellte Judith Gerlach fest. Technologien wie Künstliche Intelligenz, Blockchain oder Quantencomputing ließen sich ohne die notwendige Infrastruktur nicht anwenden. „Die Bevölkerung muss den Netzausbau aber auch mittragen – ohne Masten gibt es kein Mobilfunknetz“, spielte sie auf den Widerstand an, der mancherorts gegenüber dem Neubau von Funkmasten herrscht.

Wichtig sei es, jetzt die für den Digitalausbau notwendigen Richtlinien zu erlassen und zu investieren. „Wir haben in Bayern beste Voraussetzungen dafür, ein digitaler Spitzenstandort zu werden“, so die Ministerin. „Seit der Gründung des bayerischen Digitalministeriums haben wir beim Thema Digitalisierung den Fuß auf dem Gas.“ Ein erklärtes Ziel ist auch, Forschung, Politik und Wirtschaft besser zu vernetzen, um Projekte gemeinschaftlich auf den Weg zu bringen.

Die Vernetzung ist auch Prof. Dr. Claudia Linnhoff-Popien ein Anliegen. Die zweite Referentin des Abends hat seit 2003 den Lehrstuhl für Mobile und Verteilte Systeme am Institut für Informatik an der LMU München inne. Dem Peutinger-Collegium stellte sie zwei ihrer Forschungsgebiete vor: Maschinelles Lernen und Quantencomputing.

Zu Beginn machte Claudia Linnhoff-Popien deutlich: „Deutschland ist durchaus ein Standort für starke, digital orientierte Unternehmen – auch wenn bei diesem Thema erst einmal jeder an das Silicon Valley denkt.“ Beispielhaft nannte sie die im TecDAX notierten Unternehmen Isra Vision AG, Nemetschek SE oder SAP. Aus einer besseren Vernetzung von Forschung und Wirtschaft könnten ihrer Meinung nach weitere Vorteile entstehen. Themen, die an der Uni erforscht werden, könnten unmittelbar wirtschaftliche Chancen darstellen. Als Beispiel hierfür führte sie die Gründung und den späteren Verkauf der Aloqa GmbH an: Als Start-up aus der Uni heraus gegründet, wurde Aloqa 2010 für einen größeren Betrag an Motorola Mobility verkauft.
Claudia Linnhoff-Popien geht daher auch der Frage nach: „Wie können wir Wissenschaftler, Studenten und Professoren mit unserem Wissen und unserer Forschung die Unternehmen in Deutschland unterstützen?“

Das Maschinelle Lernen ist ein solcher Bereich, der aktuell erforscht und sich laut Claudia Linnhoff-Popien schon in zwei bis drei Jahren in der Industrie durchsetzen wird: Einem Rechner wird Wissen antrainiert, indem man ihn mit circa 30 Mio. Beispielen füttert. Aus der Erfahrung dieser Beispiele generiert der Rechner nach einigen Monaten ein Modell, auf dessen Grundlage er folgerichtige Schlüsse ziehen kann. Eingesetzt haben Claudia Linnhoff-Popien und ihr Team diese Methode im vergangenen Jahr zusammen mit den Stadtwerken München: Um die Wasserleitungen in München auf Lecks zu überprüfen, horchte das Fachpersonal bisher mit einer Art Stethoskop an jedem einzelnen Hydranten. Lecke Wasserleitungen weisen ein spezielles Geräuschbild auf, das nun mithilfe von Sensoren aufgezeichnet wurde, um anschließend anhand der Geräuschdaten einen Rechner zu trainieren. Dieser kann jetzt auf Basis der Audio-Frequenz-Spektren entscheiden, ob ein Rohr defekt ist. Die Prüfung der Wasserleitungen wurde hierdurch deutlich vereinfacht.

Ein weiteres Thema, mit dem sich Claudia Linnhoff-Popien und ihr Team beschäftigen, ist das Quantencomputing. Hierbei handelt es sich um Prozessoren, deren Funktionsweise auf der Quantenmechanik basiert. Schon in fünf bis zehn Jahren sollen diese weitestgehend einsatzbereit sein. Davon könnte laut Claudia Linnhoff-Popien beispielsweise auch der Flughafen München profitieren: Welches Flugzeug zu welcher Zeit an welchem der über 70 Gates abgefertigt wird, berechnen derzeit zwei Rechenzentren. Für die Planung eines Tages rechnet eines der beiden Rechenzentren – das andere steht bei einem möglichen Systemausfall bereit – die ganze Nacht durch. Kommt es am Folgetag zu einer Verspätung oder einem Flugausfall, sind sämtliche Berechnungen hinfällig und müssen manuell korrigiert werden. „Mithilfe eines Quantencomputers könnten die kurzfristigen Änderungen in Echtzeit berechnet werden“, so Claudia Linnhoff-Popien.

Voraussetzung für den Einsatz der neuen Technologien ist eine funktionierende Infrastruktur. Ähnlich wie zuvor Staatsministerin Judith Gerlach kommt Claudia Linnhoff-Popien in diesem Punkt zu dem Schluss: „Wir haben bereits eine relativ gute Netzabdeckung, doch wenn wir beispielsweise an das autonome Fahren denken, brauchen wir eine lückenlose Abdeckung. Selbstfahrende Autos, die miteinander kommunizieren, müssen permanent Netzzugriff haben – auch im Tunnel oder in einer Schlucht.“ Solange sich die Infrastruktur im Ausbau befinde, könne die Wissenschaft jedoch schon an den entsprechenden Technologien forschen.

Zu diesem Zweck hat der Lehrstuhl von Claudia Linnhoff-Popien auch das Quantum Applications and Research Laboratory, kurz QAR-Lab, eingerichtet. Es bietet Unternehmen die Möglichkeit, konkrete Probleme auf einem Quantencomputer zu berechnen. Hierfür greifen Claudia Linnhoff-Popien und ihr Team über die Cloud auf einen Quantencomputer in Kanada zu. So verhilft die Uni den Unternehmen dazu, Lösungen zu finden, die nur mithilfe des Quantencomputings berechnet werden können. Gleichzeitig werden die Studenten auf die Zukunft vorbereitet. Hier zeigt sich, wie Zusammenarbeit von Forschung und Wirtschaft funktionieren kann.

Die Vernetzung ist auch ein Ziel des Vereins „Digitale Stadt München e.V.“. 122 Mitglieder haben sich diesem inzwischen angeschlossen, um gemeinsam an zukunftsweisenden Themen zu arbeiten. Laut Claudia Linnhoff-Popien, Vorstandsvorsitzende der Initiative, bietet sich gerade die bayerische Hauptstadt dafür an: „München hat einen Standortvorteil: Alle großen amerikanischen Firmen sind hier vertreten. Das bietet viele Möglichkeiten, Ideen auszuprobieren und diese später von München aus zu exportieren“, erklärt sie.

Im Anschluss an die beiden Vorträge fand eine Stehtisch-Diskussion, moderiert von Christian Geissler, statt. Auch für Fragen aus dem Collegium war Gelegenheit, bevor der Präsident des Peutinger-Collegiums den offiziellen Teil des Abends mit dem Dank an die beiden Referentinnen und an den großzügigen Gastgeber, das Westin Grand München, beschloss.

Wir freuen uns sehr, dass Frau Staatsministerin Judith Gerlach und Frau Prof. Dr. Linnhoff-Popien unsere Gäste waren.

Freundliche Grüße

Christian Geissler
Präsident des Peutinger-Collegium e.V.

 

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