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Den Auftakt der Veranstaltung machte Dr. Andreas Bachmeier in seiner neuen Funktion als Präsident des Peutinger Collegiums. Er stellte in seiner Rede besonders heraus, wofür das Peutinger Collegium und dessen Werte stehen, vor allem in diesen schwierigen Zeiten. Besonders hob Bachmeier hervor, dass er sich der Programmdiskussion und dem übergreifenden Generationengedanken befassen will. Neue Formate und Ansätze sollen dabei im Mittelpunkt stehen – immer entlang der Leitideen der Peutinger.

Die Einführung des Referenten übernahm der Peutinger-Präsident a.D. Christian Geissler. Er stellte den bayerischen Justizminister Georg Eisenreich im Hinblick auf seinen bunten Lebenslauf als „Schweizer Taschenmesser“ vor. Eisenreich ist in München geboren, römisch-katholisch und hat drei Kinder. Bereits sehr früh engagierte er sich in der katholischen Jugendarbeit, während er das Abitur am Münchner Ludwigs-Gymnasium erlangte. Das Studium der Rechtswissenschaften absolvierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Danach war es als Stipendiat an der Hans-Seidel-Stiftung tätig. Auch seine politische Karriere begann vergleichsweise früh, wie Geissler betonte: 2002 wurde er Stadtrat in München, seit 2003 ist er als Abgeordneter im Bayerischen Landtag vertreten. Zwischen 2008 und 2013 war Eisenreich stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport. Außerdem war er bildungspolitischer Sprecher der CSU-Fraktion und Beauftragter für die UN-Behindertenrechtskonvention. Seit 2018 ist Eisenreich Staatsminister der Justiz in Bayern und strebt zudem den Vorsitz der Münchener CSU an.

Am Beginn seines Vortrages „Große Internetkonzerne – Eine Herausforderung für den demokratischen Rechtsstaat“ betonte Georg Eisenreich die Übermacht der internationalen Hauptakteure der digitalen Branche: Alphabet, Facebook et cetera haben einen höheren Börsenwert als die gesamten DAX-Unternehmen zusammengenommen, zudem sitzen die 15 größten Digital-Unternehmen in den USA und China, aber keines in der Europäischen Union - Beeindruckende Kennzahlen. Eisenreich wies darauf hin, dass die fortschreitende Digitalisierung unsere Gesellschaft und Wirtschaft weiterhin mit einer absoluten Selbstverständlichkeit grundlegend verändern wird. Vor diesem Hintergrund monierte Eisenreich, dass die Monopolisten der Branche, die ganz selbstverständlich mit unseren Informationen ihr Geld verdienen, keine Verantwortung übernehmen wollen, sondern höchstens auf Gesetze und politischen Druck reagieren. Trotzdem wollen Bayern, Deutschland und die EU auch an diesem Fortschritt partizipieren. Und es ist nötig, in vielen Bereichen der Kooperation zwischen Staaten und Konzernen Kompromisse zu finden. Eisenreich wies insbesondere auf die Gefahren und Herausforderungen hin, die diese Koexistenz voraussetzt:

Digitale Souveränität und Privatsphäre – Eisenreich merkte an, dass unsere Gesellschaft im Begriff ist, die Herrschaft über Daten zu verlieren. Datenmonopole werden immer intensiver von Konzernen genutzt und in die Privatsphäre des Einzelnen wird immer weiter eingegriffen. Leider betreffe das nicht nur die Souveränität der Individuen, sondern auch die Souveränität von Staaten wie Deutschland. Deshalb forderte Eisenreich, dass Daten viel stärker vor diesen Eingriffen geschützt, aber gleichzeitig für die verschiedenen Akteure nutzbar gemacht werden müssen. Hier wies er auf die Verabschiedung der DSGVO hin, die auf EU-Ebene ein großer Fortschritt gewesen ist: Durch die Verordnung wurde ein einheitliches Regelwerk geschaffen. Trotzdem wurde von Eisenreich kritisiert, dass sich nur ein Teil der großen Unternehmen vollumfänglich an diese Regeln hält, wie beispielsweise Bürgerinnen und Bürger sowie kleine Unternehmen und Mittelständler. Dies zeige, dass der rechtliche Vollzug der DSGVO weiterhin mangelhaft ist, denn die großen Konzerne fürchten wenige oder keine Repressalien gegen ihr Handeln.

Demokratie und Rechtsstaat – Die Bedeutung sozialer Netzwerke ist in den vergangenen Jahren gestiegen; gleichzeitig sind traditionelle Medien nicht mehr konkurrenzfähig. Eisenreich hob hervor, dass insbesondere jüngere Menschen das Internet verstärkt als Hauptinformationsquelle nutzen. Daraus ergebe sich aber ein Problem: Für TV, Radio oder Presse gelten traditionell Grundsätze wie ausgewogene und faire Berichterstattung oder die Sorgfaltspflicht. Für Social-Media-Plattformen gelten diese Regeln bisher nicht oder nur eingeschränkt, weil keine eigenen Inhalte produziert werden sondern nur über Dritte bereitgestellt werden, die als Einzelpersonen von diesen geltenden Vorschriften nicht betroffen sind. Plattform haften dementsprechend nicht für die Inhalte der Nutzer, das sogenannte Plattformprivileg. Laut Eisenreich stellen Fake Accounts, Fake News und Deep Fakes eine große Gefahr dar. Durch eine niedrige Hemmschwelle greifen vor allem Hass und Hetze im Netz weiter um sich. Im Einzelfall können aus Worten sogar Taten werden (Hinweis: Walther Lübke oder Terroranschlag in Hanau). Hier entsteht laut Eisenreich ein entscheidender Reibungspunkt zwischen den Standards, die ein Konzern auf seiner Plattform setzt, und den der Gesetzgebung eines Landes. Dies führe dazu, dass Staat bzw. EU immer härter gegen die Digitalunternehmen kämpfen müssen, um sich auch in Zukunft durchsetzen zu können.

Allerdings wurde laut dem bayerischen Justizminister schon einiges in diesem Bereich getan, nicht nur auf Landesebene:

-       Länder haben den Medienstaatsvertrag ins Leben gerufen, wonach Social Media unter den Medienaufsichtsrat gestellt wird

-       Seit 2017 existiert das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das Intermediäre reguliert. Auch hier sind weitere Verschärfungen angedacht.

-       In der EU, die lange zugeschaut hat, ist der Wille da, Regulierungen auf europäischer Ebene zur Plattformökonomie einzuführen.

-       In den USA wird schon seit längerem diskutiert, Digitalkonzerne stärker in die Pflicht zu nehmen oder sogar zu zerschlagen.

-       In Bayern wurde 2020 der erste Hate-Speech-Beauftragte der Bundesrepublik ernannt, der in der Generalstaatsanwaltschaft angesiedelt ist, große Verfahren durchführt und Spezialisten in den Sonderdezernaten der 22 bayerischen Staatsanwaltschaften koordiniert.

-       Initiative wurde ins Leben gerufen: Justiz und Medien – konsequent gegen Hass.

 

Wettbewerb und Wohlstand – Um den allgemeinen Wohlstand zu schützen, müssen auch die Daten geschützt werden, auf denen dieser beruht. Eisenreich plädierte während seines Vortrages dafür, dass neue digitale Businessmodelle entwickelt werden, um die Region voranzubringen und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Allerdings sei die Wettbewerbsverzerrung hier ein starkes Hemmnis. Die 10. Novelle beim Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung sei ein großer Fortschritt beim Vorgehen gegen Monopolisten – insbesondere im digitalen Bereich.

 

Eisenreich wies allerdings in seinen Schlussworten darauf hin, dass weiterhin starker Handlungsbedarf beim Thema Datenschutz bestehe. Konzerne sollen viel stärker in die Pflicht genommen und reguliert werden, außerdem sollen sie Steuern zahlen. Gewinne können nicht auf der einen Seite von Unternehmen wie Facebook oder Google eingefahren werden, aber die Kosten (gesellschaftliche, rechtliche) auf der anderen Seite sozialisiert werden. Die EU hat sich die Regulierung der Plattformökonomie auf die Agenda geschrieben und bereits wichtige Anstöße mit dem Digital Services Act und dem Digital Markets Act geschaffen. Allerdings müssen weiterhin intensive Debatten geführt werden.

In Deutschland müssen laut Eisenreich wichtige Investitionen getätigt werden, um Digitalkonzerne hier ansiedeln zu können und in der Weltwirtschaft nicht wieder komplett abgehängt zu werden. In Bayern wurden bereits Investitionen in den Bereichen KI und digitaler Infrastruktur getätigt.  

 

Diskussionsrunde:

 

Dr. Andreas Bachmeier: Angriffe gegen Kommunalpolitiker im Netz nehmen zu. Gibt es konkrete Handhabungen der Politik in diesem Bereich?

 

Georg Eisenreich: Das ist ein massives Phänomen, wobei der Staat nicht zuschauen kann. Es braucht verstärkt Schutzkonzepte. Hasskommentare können bereits heute an den Hate-Speech-Beauftragten weitergeleitet werden. Hier wird dann über die rechtlichen Rahmenbedingungen und möglichen Überschreitungen entschieden. Strafverfolgung im Zusammenhang mit der Kommunalpolitik übernimmt immer die Staatsanwaltschaft.

 

Dr. Andreas Bachmeier: Wie sicher ist die Bundestagswahl? Insbesondere im Hinblick auf Cyber-Angriffe aus dem Ausland.

 

Georg Eisenreich: Die negativen Auswirklungen solcher digitalen Angriffe auf Wahlen konnten bereits in den USA beobachtet werden. In der Politik steht der Schutz der Wahl ganz oben auf der Agenda. Insbesondere müssen Wähler Zugang zu unverfälschten Informationen haben. Dieser Zugriff muss vom Staat weitestgehend geschützt werden.

 

Thomas Zach: Inwieweit kann Bayern bei diesen internationalen Themen etwas bewirken?

 

Georg Eisenreich: Alle Ebenen sind hier gezwungen zu agieren. Das Land Bayern ist insbesondere in der Strafverfolgung von Hass und Hetze gefordert. Dagegen muss auf Bundesebene ein direkter Kontakt zu den Konzernen gesucht werden und Vorschläge an den Bundesgesetzgeber gemacht werden. Analog muss dies auf EU-Ebene passieren.

 

Margarethe Stadlbauer: Big Data – was kann man dagegen tun, dass große Unternehmen Informationen aus verschiedenen Kanälen zusammensetzen, damit daraus ein ganz präzises Profil wird?

 

Georg Eisenreich: Das Bundeskartellamt ist in dieser Angelegenheit sehr engagiert und kreativ. Beispielsweise dürfen verschiedene Daten nicht miteinander verknüpft werden. Dieses Thema muss definitiv Teil des Digital Markets Act sein, denn die EU ist da die richtige Ebene.

 

Christian Frankenstein: Kleine Unternehmen und Mittelständler setzen den Datenschutz um und große Konzerne halten sich nicht daran. Was kann dagegen getan werden?

 

Georg Eisenreich: Regeln müssen für alle gelten, denn ansonsten wird unnötiger Frust in der Gesellschaft produziert. Es gibt in der Tat einige Defizite in der Struktur, beispielsweise ist das Land, in der ein Konzern seinen Sitz hat, für die Durchsetzung der DSGVO zuständig. Deshalb muss ein übergeordnetes Gremium eingerichtet werden, um die Durchsetzung zu gewährleisten.

 

Christian Riehl: Mit Blick auf die USA, was wird sich mit Biden ändern? Auch mit Bezug auf große Monopolisten.

 

Georg Eisenreich: Das ist noch schwierig einzuschätzen. Aber es hat sich ja schon viel getan. Bundesstaaten haben beispielsweise gemeinsame Initiativen ergriffen. Hier sind stärkere Regulierungen oder sogar der Zerschlagung von Konzernen im Gespräch.

 

Die Veranstaltung schloss mit einer kurzen Zusammenfassung und Ausblick von Dr. Andreas Bachmeier auf die nächsten Veranstaltungen.

   

Freundliche Grüße

Dr. Andreas Bachmeier

Präsident des Peutinger-Collegium e.V.

 


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