Im Königssaal des Bayerischen Hofs begrüßte Christian Geissler, Präsident des Peutinger-Collegiums e.V., am Mittwoch, 15. Januar, die Mitglieder und Gäste des Peutinger-Collegiums zur ersten Veranstaltung im Jahr 2020. „Ich freue mich auf ein spannendes neues Jahr mit den Peutingern“, sagte Christian Geissler und gab einen kurzen Ausblick auf die geplanten Veranstaltungen. Danach stellte er den Referenten des Abends vor: Prof. Dr. habil. Carsten C. Schermuly ist Diplompsychologe und leitet an der SRH Hochschule Berlin den Studiengang Internationale BWL mit Schwerpunkt Wirtschaftspsychologie. Zwei seiner Forschungsschwerpunkte präsentierte er dem Peutinger-Collegium in seinem Vortrag: New Work und psychologisches Empowerment.

Dazu erörterte Carsten Schermuly zunächst die Frage, welche Trends in den nächsten Jahren die Arbeitswelt prägen werden. „Ich war noch nie in der Zukunft“, erklärt er, um darauf hinzuweisen, dass er sich auf Prognosen und nicht auf Fakten bezieht. Vier Einflussfaktoren sind seiner Meinung nach entscheidend:

  1. Wissens- und Informationszuwachs: Die Menge und Verfügbarkeit von Wissen und Informationen ist in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Dies führt einerseits oft zu gefährlichem Halbwissen, andererseits zu langen Entscheidungsprozessen, wenn alle Informationen geprüft werden sollen.
  2. Demografischer Wandel: Als Folge der alternden Gesellschaft nimmt die Zahl der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte ab. 2030 werden voraussichtlich bereits 4,9 Mio. Fachkräfte fehlen. Junge Arbeitnehmer finden sich dadurch in der Position wieder, ihre Ansprüche und Werte an den Arbeitgeber heranzutragen. Besonders wichtig ist der sogenannten „Generation Y“ eine gute Work-Life-Balance.
  3. Globalisierung: Der Wettbewerb ist deutlich größer geworden, da er nun Konkurrenten aus der ganzen Welt umfasst.
  4. Digitalisierung: In zahlreichen Bereichen beeinflusst die Digitalisierung die Arbeitswelt. Beispielsweise ermöglichen Mobile Devices und Cloud Computing das ortsunabhängige Arbeiten. Auch Social Media, Big Data oder Künstliche Intelligenz spielen eine Rolle.

Aus diesen vier Faktoren leitet Carsten Schermuly ab, dass die Zukunft der Arbeitswelt durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität geprägt sein wird. In diesem Umfeld können Unternehmen mit traditionellen Strukturen nicht länger bestehen. Von strengen Hierarchien und homogenen Führungsgruppen geprägte Organisationen funktionieren nur solange, bis sie vor komplexe Aufgaben gestellt werden, deren Lösung Kreativität und Interdependenz, also das Vernetzen mit anderen, erfordert.

Carsten Schermuly legt dar, dass aber auch Organisationen, die völlig ohne Hierarchien arbeiten, nur bedingt funktionieren. „Führungskräfte sind ja nicht nur Störfaktoren“, resümiert er bewusst provokant. „Sie motivieren auch oder schlichten bei Streitigkeiten.“ Die Abschaffung aller Führungskräfte erweist sich also nicht als zielführend. Deswegen rät Schermuly: „Wir sollten nicht die Strukturen eines Unternehmens betrachten und verändern. Das Ziel von New Work sollte das psychologische Empowerment der Mitarbeiter sein.“

Dieses psychologische Empowerment zeichnet sich seiner Ansicht nach durch vier Facetten aus:

  1. Bedeutsamkeit: Der Arbeitnehmer empfindet seine Aufgaben als sinnhaft. Seine Arbeit ist ihm wichtig.
  2. Kompetenz: Der Arbeitnehmer hat das Gefühl, dass er seine Aufgaben kompetent erfüllt.
  3. Selbstbestimmung: Dem Arbeitnehmer wird die Freiheit gelassen, selbst zu entscheiden, wie er seine Arbeit erledigt.
  4. Einfluss: Der Arbeitnehmer hat das Gefühl, dass seine Arbeit tatsächlich etwas verändert.

Studien haben bewiesen, dass sich psychologisches Empowerment positiv auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter, ihre Bindung an die Organisation, die Leistung, die Fluktuation sowie die Gesundheit auswirkt. Um psychologisches Empowerment zu stimulieren, gibt es verschiedene Wege. Zu den klassischen Maßnahmen gehört beispielsweise die Einrichtung eines Qualitätszirkels, in dem sich Mitarbeiter und Führungskräfte regelmäßig auf Augenhöhe austauschen. Auch ein betriebliches Vorschlagswesen oder die Autonomie über Arbeitsort und -zeit können psychologisches Empowerment unterstützen. In manchen Unternehmen wurden moderne Ansätze umgesetzt, beispielsweise ein Youth Council bei Axel Springer, der gezielte Abbau von Bürokratie bei Netflix oder die agile Projektarbeit bei SAP.

„Um das psychologische Empowerment der Mitarbeiter zu fördern, muss sich auch die Führungskraft selbst empowert fühlen“, stellt Carsten Schermuly fest. Der Führungsstil eines empowerten Vorgesetzten wirkt sich wiederum positiv auf das psychologische Empowerment der Mitarbeiter aus. Die Führungskraft tritt als Sinnstifter auf, überträgt Verantwortung, sorgt für Partizipationsmöglichkeiten und die individuelle Kompetenzentwicklung. Wichtig ist, dass psychologisches Empowerment nur in Kombination mit Vertrauen zum Erfolg führt.

„Mit psychologischem Empowerment lässt sich auf die veränderte Arbeitswelt reagieren“, beendet Schermuly seinen Vortrag. „So können Unternehmen den Herausforderungen begegnen, die die stetig komplexer werdende Welt mit sich bringt.“

Vielen Dank an Herrn Carsten C. Schermuly für den aufschlussreichen Vortrag, der im Laufe des Abends noch für viele Diskussionen gesorgt hat.

Freundliche Grüße

Christian Geissler
Präsident des Peutinger-Collegium e.V.

 




Bilder von Admin, Admin:

NACHLESE

zu einem Vortrag von

Prof. Dr. habil. Carsten C. Schermuly

Studiengangsleiter Internationale BWL mit Schwerpunkt Wirtschaftspsychologie an der SRH Hochschule Berlin

Titel: Ich war noch niemals in New Work – Psychologisches Empowerment als Reiseführer für die Zukunft

Bayerischer Hof, 15. Januar 2020

 

Im Königssaal des Bayerischen Hofs begrüßte Christian Geissler, Präsident des Peutinger-Collegiums e.V., am Mittwoch, 15. Januar, die Mitglieder und Gäste des Peutinger-Collegiums zur ersten Veranstaltung im Jahr 2020. „Ich freue mich auf ein spannendes neues Jahr mit den Peutingern“, sagte Christian Geissler und gab einen kurzen Ausblick auf die geplanten Veranstaltungen. Danach stellte er den Referenten des Abends vor: Prof. Dr. habil. Carsten C. Schermuly ist Diplompsychologe und leitet an der SRH Hochschule Berlin den Studiengang Internationale BWL mit Schwerpunkt Wirtschaftspsychologie. Zwei seiner Forschungsschwerpunkte präsentierte er dem Peutinger-Collegium in seinem Vortrag: New Work und psychologisches Empowerment.

Dazu erörterte Carsten Schermuly zunächst die Frage, welche Trends in den nächsten Jahren die Arbeitswelt prägen werden. „Ich war noch nie in der Zukunft“, erklärt er, um darauf hinzuweisen, dass er sich auf Prognosen und nicht auf Fakten bezieht. Vier Einflussfaktoren sind seiner Meinung nach entscheidend:

  1. Wissens- und Informationszuwachs: Die Menge und Verfügbarkeit von Wissen und Informationen ist in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Dies führt einerseits oft zu gefährlichem Halbwissen, andererseits zu langen Entscheidungsprozessen, wenn alle Informationen geprüft werden sollen.
  2. Demografischer Wandel: Als Folge der alternden Gesellschaft nimmt die Zahl der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte ab. 2030 werden voraussichtlich bereits 4,9 Mio. Fachkräfte fehlen. Junge Arbeitnehmer finden sich dadurch in der Position wieder, ihre Ansprüche und Werte an den Arbeitgeber heranzutragen. Besonders wichtig ist der sogenannten „Generation Y“ eine gute Work-Life-Balance.
  3. Globalisierung: Der Wettbewerb ist deutlich größer geworden, da er nun Konkurrenten aus der ganzen Welt umfasst.
  4. Digitalisierung: In zahlreichen Bereichen beeinflusst die Digitalisierung die Arbeitswelt. Beispielsweise ermöglichen Mobile Devices und Cloud Computing das ortsunabhängige Arbeiten. Auch Social Media, Big Data oder Künstliche Intelligenz spielen eine Rolle.

Aus diesen vier Faktoren leitet Carsten Schermuly ab, dass die Zukunft der Arbeitswelt durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität geprägt sein wird. In diesem Umfeld können Unternehmen mit traditionellen Strukturen nicht länger bestehen. Von strengen Hierarchien und homogenen Führungsgruppen geprägte Organisationen funktionieren nur solange, bis sie vor komplexe Aufgaben gestellt werden, deren Lösung Kreativität und Interdependenz, also das Vernetzen mit anderen, erfordert.

Carsten Schermuly legt dar, dass aber auch Organisationen, die völlig ohne Hierarchien arbeiten, nur bedingt funktionieren. „Führungskräfte sind ja nicht nur Störfaktoren“, resümiert er bewusst provokant. „Sie motivieren auch oder schlichten bei Streitigkeiten.“ Die Abschaffung aller Führungskräfte erweist sich also nicht als zielführend. Deswegen rät Schermuly: „Wir sollten nicht die Strukturen eines Unternehmens betrachten und verändern. Das Ziel von New Work sollte das psychologische Empowerment der Mitarbeiter sein.“

Dieses psychologische Empowerment zeichnet sich seiner Ansicht nach durch vier Facetten aus:

  1. Bedeutsamkeit: Der Arbeitnehmer empfindet seine Aufgaben als sinnhaft. Seine Arbeit ist ihm wichtig.
  2. Kompetenz: Der Arbeitnehmer hat das Gefühl, dass er seine Aufgaben kompetent erfüllt.
  3. Selbstbestimmung: Dem Arbeitnehmer wird die Freiheit gelassen, selbst zu entscheiden, wie er seine Arbeit erledigt.
  4. Einfluss: Der Arbeitnehmer hat das Gefühl, dass seine Arbeit tatsächlich etwas verändert.

Studien haben bewiesen, dass sich psychologisches Empowerment positiv auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter, ihre Bindung an die Organisation, die Leistung, die Fluktuation sowie die Gesundheit auswirkt. Um psychologisches Empowerment zu stimulieren, gibt es verschiedene Wege. Zu den klassischen Maßnahmen gehört beispielsweise die Einrichtung eines Qualitätszirkels, in dem sich Mitarbeiter und Führungskräfte regelmäßig auf Augenhöhe austauschen. Auch ein betriebliches Vorschlagswesen oder die Autonomie über Arbeitsort und -zeit können psychologisches Empowerment unterstützen. In manchen Unternehmen wurden moderne Ansätze umgesetzt, beispielsweise ein Youth Council bei Axel Springer, der gezielte Abbau von Bürokratie bei Netflix oder die agile Projektarbeit bei SAP.

„Um das psychologische Empowerment der Mitarbeiter zu fördern, muss sich auch die Führungskraft selbst empowert fühlen“, stellt Carsten Schermuly fest. Der Führungsstil eines empowerten Vorgesetzten wirkt sich wiederum positiv auf das psychologische Empowerment der Mitarbeiter aus. Die Führungskraft tritt als Sinnstifter auf, überträgt Verantwortung, sorgt für Partizipationsmöglichkeiten und die individuelle Kompetenzentwicklung. Wichtig ist, dass psychologisches Empowerment nur in Kombination mit Vertrauen zum Erfolg führt.

„Mit psychologischem Empowerment lässt sich auf die veränderte Arbeitswelt reagieren“, beendet Schermuly seinen Vortrag. „So können Unternehmen den Herausforderungen begegnen, die die stetig komplexer werdende Welt mit sich bringt.“

 

Vielen Dank an Herrn Carsten C. Schermuly für den aufschlussreichen Vortrag, der im Laufe des Abends noch für viele Diskussionen gesorgt hat.


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