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Unter dem Titel „Blick auf Deutschland und Europa 2018“ hielt Christian Wulff, Bundespräsident a. D., am 12. Juni 2018 einen Vortrag vor dem Peutinger Collegium und Gästen. Seit dem Ende seiner Amtszeit im Jahr 2012 lebt der 10. Präsident der Bundesrepublik Deutschland mit seiner Familie in Burgwedel bei Hannover. Er arbeitet heute als Rechtsanwalt und engagiert sich unter anderem für die Integration von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte.

Bevor Wulff auf das Deutschland und Europa des Jahres 2018 zu sprechen kam, blickte er zurück auf die bewegte Zeit Anfang der neunziger Jahre. Damals wehte ein Wind der Veränderung durch Europa, wie Wulff mit Bezug auf die Scorpions und ihren Song „The Wind of Change“ deutlich machte. Mauern fielen und die Demokratie war auf dem Siegeszug. Heute, fast dreißig Jahre später, weht laut dem Bundespräsidenten a. D. jedoch ein ganz anderer Wind durch die Welt. Protektionismus, Isolationismus, Rassismus und Hass seien auf dem Vormarsch. „Heute gibt es überhaupt keine Garantie mehr dafür, dass unsere Gesellschaften liberal bleiben“, so Wulff. Mit seinem Vortrag wollte Wulff daher die Anwesenden zum Nachdenken bringen sowie ihnen Mut zusprechen, sich für die liberale Demokratie stärker einzusetzen. Dafür nahm Wulff seine Gäste auf eine gedankliche Reise mit. Zunächst widmete er sich der Analyse der aktuellen Situation in Europa. Wulff gab dabei Antworten darauf, wie es aus seiner Sicht zu aktuellen Entwicklungen, wie zum Beispiel dem Protektionismus und Rassismus, kommen konnte. Im Anschluss an die Analyse sprach Wulff Handlungsempfehlungen aus, um aufzuzeigen was passieren muss, damit sich die Gesellschaft wieder den Grundwerten der Europäischen Union zuwendet.

„Die erste von drei problematischen Stationen, die zur Spaltung unserer Gesellschaft beitragen und den Verlust an Steuerungsfähigkeit der Politik dokumentieren, ist der weltweite Terrorismus“, so Wulff. Er versetzt nicht nur viele in Angst und Schrecken, sondern sorgt auch dafür, dass wir Maß und Mitte verlieren würden. Nur so sei die Stimmungsveränderung und die weiter voranschreitende Radikalisierung der Menschen zu erklären.

Die Zweite Ursache für den Stimmungswandel in der Gesellschaft sind nach dem Bundespräsidenten a. D. Defizite bei der Globalisierung. „Begonnen hat die Radikalisierung in Europa nämlich nicht mit dem Anti-Islam, sondern mit der Finanzkrise und der Euro-Diskussion“, so Wulff. Erst das verantwortungslose Handeln einiger Banken hat Ressentiments gegen die Globalisierung geschürt und bei den Verlierern der Globalisierung dazu geführt, sich in nationale Rückzugsecken zu begeben. So würden sich nach Wulff auch Erklärungsmuster für den „Brexit“ oder die Wahl Trumps ergeben.

Für den Ansehensverlust in den westlichen Demokratien sind für Wulff auch die noch nicht bewältigten negativen Folgen der Digitalisierung mit verantwortlich. Das Internet hätte nicht nur zu enormen Veränderungen in der Wirtschaft geführt, sondern auch destabilisierend auf die Gesellschaft gewirkt. Aufgrund der Komplexität des Netzes könne der Einzelne die Flut an Informationen alleine nicht durchdringen. Das Internet, so Wulffs Schlussfolgerung, wird daher in vielen Ländern nicht nur für tiefgreifende Kontrolle genutzt, sondern auch zur Aufwiegelung und gezielten Desinformation der Bevölkerung.

Eine Lösung der aktuellen Situation in Deutschland und Europa sah Wulff daher nur darin, wenn sich jeder einzelne deutlicher zur Offenheit, zur Liberalität und zur Vielfalt bekennt. „Die großen Fragen Europas lassen sich nur gemeinsam oder gar nicht lösen“, so Wulff. Europa müsse zu internationaler Zusammenarbeit bereit sein und gemeinsam auftreten, sonst würde es immer mehr an Bedeutung verlieren. Zum Abschluss seines Vortrages, sprach Wulff deshalb allen Anwesenden Mut zu, sich „mit Geist von Mut und Offenheit“ für das große Friedensprojekt Europa einzusetzen.
 
Vielen Dank an Herrn Bundespräsidenten a. D. Christian Wulff für seinen begeisternden, sehr zum Nachdenken anregenden Vortrag, der zu intensiven Gesprächen beim gemeinsamen Abendessen geführt hat.


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