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Dr. Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Präsidiums Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), hielt jüngst einen Vortrag vor den Mitgliedern des Peutinger Collegiums und Gästen. Zentrale Themen waren der Brexit und die wechselseitigen Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union. Zudem erläuterte er die Positionen des BDI zum Thema. Als Veranstaltungsort diente der Sitz der Deutsche Bundesbank Hauptverwaltung in München.
 
Vor Beginn des eigentlichen Vortrags begrüßte Franz Josef Benedikt, Präsident der Hauptverwaltung in Bayern, alle Gäste und klärte über die primäre Aufgabe der Deutsche Bundesbank Hauptverwaltungen auf, die sich etwa um das operative Geschäft der Deutschen Bundesbank kümmert. Der größte Bereich der Hauptverwaltungen ist dabei die Bankenaufsicht, was allein in Bayern eine Kontrolle von über 370 Banken bedeutet, von kleinen Kreditbanken bis zu großen Geldhäusern, darunter selbstredend vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Es war insofern wohl einer der besten Veranstaltungsorte überhaupt, um über den nahenden Brexit zu sprechen. Auf Benedikt folgte Dr. Joachim Lang, der Hauptredner des Abends. Lang ist seit Dezember 2016 Mitglied der Hauptgeschäftsführung und seit April 2017 Hauptgeschäftsführer des BDI. Im Juni 2017 wurde er in das Präsidium des BDI gewählt. Im Folgenden einige Auszüge aus dem Vortrag.
 
Zunächst erinnerte Lang an die Ausgangssituation: eine innerparteiliche Angelegenheit der Konservativen in Großbritannien, die sich uneinig waren, welche Politik sie innerhalb der Europäischen Union verfolgen sollten. Als Resultat brachte David Cameron, der damalige Premierminister des Vereinigten Königreichs, die Abstimmung über den Brexit auf den Weg.  Eine – wie Lang sagt – „leichtfertige politische Entscheidung“ Camerons. Aus Sicht des BDI sei das daraus entstandene Ergebnis, also das Votum für einen Austritt Großbritanniens aus der EU, „eine tragische und zutiefst bedauerliche Entscheidung“. Denn die Briten seien in vielen Fragen verbündete Deutschlands in Brüssel gewesen, so Lang. „Wir werden die Briten in der innereuropäischen Diskussion sehr vermissen.“
 
Schon heute sei das Brexit-Votum bereits spürbar, erklärt Lang: "Es wurden bereits Milliarden für die Vorbereitung auf den Austritt aufgewandt. Die Summen sind gewaltig und hätten sinnvoller eingesetzt werden können“, so Lang. Zudem entwickle sich die britische Konjunktur schwach, da weniger Kapital ins Land fließe und weniger investiert werde. Beim Wachstum seien die Briten mittlerweile in der EU auf dem vorletzten Rang von 28 Mitgliedstaaten. 
 
Für einen Brexit müsste sich Großbritannien ohnehin erst einmal aus dem EU-System, das über Jahrzehnte gewachsen ist, entflechten. Lang: „Es zeigt sich, dass dies die britische Politik vor größte Schwierigkeiten stellt. Aus diesem Geflecht heraus zu kommen, ohne selbst Schaden zu nehmen und ohne größeren Schaden anzurichten, ist äußerst schwierig.“ Auch nach einem Brexit werde die Situation keineswegs leichter, glaubt Lang. Das zeige sich unter anderem daran, dass Großbritannien alle Freihandelsabkommen neu werde aushandeln müssen. In diese Verhandlungen starte das Land dann als – verglichen mit der EU – Juniorpartner.
 
Ein weiteres Thema, das rund um den Brexit diskutiert wird, ist die Frage, ob es zu einem weichen oder einem harten Brexit kommt, vorausgesetzt, dass der Ausstieg nicht noch abgewendet wird. „Bei einem harten Brexit wird Chaos herrschen, da die Behörden und Unternehmen darauf nicht ausreichend vorbereitet sind“, legt sich Lang schon heute fest und begründet dies mit der „schlichten Unmöglichkeit, alle regulatorischen Fragen in der noch verbleibenden Zeit endgültig zu beantworten“. Und ein ungeordneter Brexit würde die gesamte britisch-europäische Wirtschaft „gefährden“. So drohe etwa im internationalen Warenaustausch die Einführung von Zöllen und Handelsbarrieren. Die Kosten würden, so Lang, alleine in der Dokumentation in die Milliarden gehen. Es könne zudem sein, dass Produkte aus der EU nach Großbritannien nicht mehr eingeführt werden dürften – und umgekehrt.
Das Wichtigste in den aktuellen Gesprächen mit den Briten sei, so Lang, dass Deutschland einen harten Brexit ablehne und auf eine dringend nötige Übergangsphase poche. Diese Übergangsphase sei aber nicht unabhängig von einem Ausstiegsabkommen, sondern ein Teil davon. Käme kein Ausstiegsabkommen zustande, gäbe es auch keine Übergangsphase und somit automatisch einen harten Brexit, erklärt Lang.
 
Die Frage sei aber nicht nur, wie man sich trennt, sondern wie man danach miteinander Handel treibe. Bei einem Ausstieg der Briten aus der EU bräuchte es ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Königreich. Hierbei sähen sich die Briten in einer ähnlichen Rolle wie die Schweiz heute. Allerdings: „Je nachdem, wie man rechnet, hat es sieben bis zehn Jahre gedauert, bis das Freihandelsabkommen zwischen der EU und der Schweiz zustande gekommen ist“, so Lang.
 
Und noch eine Frage treibt die Verantwortlichen um: Wo soll künftig die Grenze verlaufen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich? „Wenn Sie auf die Karte schauen, ist die Frage einfach zu beantworten: zwischen Irland und Nordirland. Und dann kommt die britische Geschichte rund um den Irland-Konflikt ins Spiel“, so Lang. Und weiter: „Dieses Problem konnte nur durch das Karfreitagsabkommen gelöst werden. Doch dieses Abkommen sieht keine festen Grenzen vor.“ Um diesen und anderen Problemen aus dem Weg zu gehen, liebäugelt Theresa May mit einem Austritt aus der EU bei gleichzeitigem Verbleib in der Zollunion. Damit bringt sie allerdings Brexit-Gegner und -Befürworter gleichermaßen gegen sich auf. Es sei zu hoffen, dass sich die Vernunft durchsetze, denn das verhandelte Austrittsabkommen sei ausgewogen und ein guter Kompromiss.
 
Wie es jetzt weitergehe, lasse sich nicht mit absoluter Sicherheit sagen, weiß Lang. Klar sei aber eines: „Wir dürfen nicht davon abrücken, uns auf Tag X vorzubereiten. Und zwar für den Fall, dass die Briten im Chaos ausscheiden.“

Vielen Dank an Herrn Dr. Joachim Lang für seinen einerseits höchst mitreißenden, begeisternden als auch ernüchternden Vortrag, der zu nachdenklichen Gesprächen beim gemeinsamen Abendessen geführt hat.
 
Vielen Dank auch an unseren Sponsor - Herrn Franz Josef Benedikt - der uns in seinem Haus der Deutschen Bundesbank großzügig empfangen hat.


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